Intelligente, Vielseitige, Effiziente und Solide Tunnelsanierung
Nach dem Glatscherastunnel saniert die Rhomberg Bahntechnik mit dem Bergünersteintunnel einen weiteren Tunnel für die historische Albula-Linie der Rhätischen Bahn. Das Besondere dabei? Neben der Lösung card_1 kommt für die Feste Fahrbahn das für die Normalbauweise adaptierte System IVES zum Einsatz.
Die Rhätische Bahn (RhB) ist eine Privatbahn im Kanton Graubünden im Osten der Schweiz. Ihr Streckennetz umfasst 384 km auf Meterspur. Jährlich nutzen 10 Millionen Personen, hauptsächlich im Tourismusbereich, die Angebote der RhB. Gut 30 % der Strecken verlaufen in einer Höhe von 1.500 m über dem Meeresspiegel. Eben so viel gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Die meisten Tunnel der RhB wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet, die Hälfte der Tunnel müssen in den kommenden Jahrzehnten renoviert werden.
Projektübersicht
Der Bergünersteintunnel ist einer der 115 Bahntunnel, die zwischen 1901 und 1914 errichtet wurden. Er liegt etwa 1.330 m über dem Meeresspiegel und ist ein Einspurtunnel mit einer Länge von ca. 400 m auf der Strecke Chur, Thusis - St. Moritz.
Normalbauweise Tunnel
Für die bisher nicht sanierten Bahntunnel entwickelte die RhB ein neues, standardisiertes Instandsetzungsverfahren namens „Normalbauweise Tunnel“. Hierbei wird das Gleis abgesenkt, der Tunnelquerschnitt vergrößert, eine neue Entwässerung erstellt, Betonfertigelemente als Wände eingesetzt und die Portale neu gebaut. Die Sanierung der Tunnel erfolgt jeweils unter laufendem Betrieb. Die Tunnelwände bestehen größtenteils aus einer Verkleidung aus Mauerwerk, in kompetenten Gebirgsbereichen gibt es auch unverkleidete Abschnitte. Da alle Abschnitte unter laufendem Betrieb instand zu setzen sind, findet tagsüber normaler Zugverkehr statt. Nachts gilt es, das Schotterbett durch die Feste Fahrbahn auszutauschen oder den Abbruch des Mauerwerks und die Aufweitung des Tunnels durch Sprengungen vorzunehmen, den Ausbruch zu sichern und das Felsmaterial abzutransportieren. Für die Vorbereitung der nächtlichen Arbeiten wird tagsüber ein Schutztunnel eingesetzt, so dass sich z. B. Bohrlöcher setzen lassen. Im letzten Arbeitsschritt wird schließlich die durchgehende neue Tunnelauskleidung aus vorfabrizierten Betonfertigteilelementen eingebaut. Die genannten Maßnahmen garantieren eine Nutzungsdauer des Tunnels für die nächsten 70 bis 100 Jahre, bei gleichzeitiger Erhöhung der Tunnelsicherheit.
Feste Fahrbahn IVES
Ein wesentlicher Vorteil der Festen Fahrbahn im Vergleich zur traditionellen Schotter-Bauweise liegt in der Langlebigkeit des Tragschichtsystems und seiner hohen Verfügbarkeit, denn die Gleislage bleibt durch das exakte Verlegen in Beton oder auf Asphalt über Jahrzehnte stabil und verändert sich nicht. Die Besonderheit bei dieser Tunnelsanierung ist die Alternativlösung, mit der die Rhomberg Bahntechnik die RhB überzeugte: Zum Einsatz kommt für die definitive Feste Fahrbahn das für die Normalbauweise adaptierte System IVES. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des schotterlosen Gleisbaus und steht für die Adjektive Intelligent, Vielseitig, Effizient und Solide. Im Vergleich zur Normalbauweise benötigt IVES beispielsweise einen geringeren Ausbruchsquerschnitt, also weniger Sohlabsenkung, und sorgt damit gleichsam für eine stabilere Gleislage im Betrieb.
Querprofil-Profi card_1
Das Trassierungsprogramm card_1 fand bei einer Vielzahl klassischer Anwendungen ihren Einsatz, etwa für die Achskontrolle und deren Auswertungen sowie für die Längsschnittgenerierung und deren Vergleiche. Zu einem weiteren Einsatzfeld gehörte die Sohlabsenkung, bei der die Höhen der Sohlelemente entlang der Achse generiert wurden, um daraus digitale Geländemodelle zu erstellen, die zusammen mit den digitalen Geländemodellen der aufgenommenen Felshöhen präzise Massenberechnungen im Vorhinein ermöglichten.
Kontrolle des Lichtraumprofils
Für die Bauphase waren mehrere Achsanpassungen nötig. Aufgrund dieser und der Arbeiten im laufenden Betrieb wurden stetige Überprüfungen für die Einhaltung der Mindestfahrdrahthöhe, den Einbau der Sohlelemente und deren Übergang auf den Schotteroberbau, welche im Bestandstunnel stattfanden, erforderlich. Um zudem die Sicherheit der Befahrung während des laufenden Betriebs zu gewährleisten, sind vor der Änderung der Gleislage im Feld sämtliche Achsen einer Lichtraumprofilkontrolle unterzogen worden. Dieser Ablauf wird im Folgenden genauer erläutert.
Vorbereitung des Lichtraumprofils
Die Lichtraumprofile stellte der Auftraggeber zur Verfügung. Diese waren anschließend regelwerksgemäß aufzuweiten und den entsprechenden Bereichen zuzuordnen. Insgesamt gab es vier Profile, die es zu beachten galt: Schotter und Feste Fahrbahn sowie die Profile mit jeweils abweichenden Breiten für Gerade und Kurvenstrecke. Dazu kam die unterschiedliche Aufweitung der Profile im Kurvenbereich. Zuletzt musste auch die Überhöhungsinformation der Achse ausgewertet werden. Wegen der mehrfach angepassten Achsen war eine Automatisierung der Generierung vorab das Ziel. Die einfachste Möglichkeit, dies variabel und dynamisch zu erzeugen und überprüfen zu können, führte über die automatisierte card_1 Querprofilerzeugung, um am Ende einen komplexen 3D-Körper zu erhalten, der sich mit dem 3D-Mesh des Bestandstunnels (Dreiecksnetz der Tunnelinnenseite) einer Kollisionsprüfung unterziehen ließ.
Automatisierung des Prozesses
Die Abmessungen der Lichtraumprofile wurden in Tabellen aufbereitet und auf die card_1 internen t- und z- Koordinaten für die Querprofilentwicklung hin ausgewertet. Hierbei war zu beachten, dass sich die Profile von der Gerade bis zur Kurve unterschiedlich breit aufweiteten. Ein Umstand, der sich mithilfe der Anwendung von Breitebändern lösen ließ. Der große Vorteil dabei: card_1 legt diese Informationen in Dateien ab, die sich aus den Tabellen generieren lassen. Ein Prozess, der Übertragungsfehler eliminiert und zu einem automatisierten Ablauf führt.
QPR / Lichtraumprofilkontrolle
Mit der card_1 Querprofilentwicklung, die unbegrenzte Möglichkeiten bietet, waren die Querprofile unter Berücksichtigung der Breitebänder für die jeweils signifikanten Lichtraumprofilpunkte automatisch erzeugbar. Dabei wurden wichtige Achsstationen als Variablen eingefügt. Somit mussten diese Stationen nicht bei jeder Achsänderung händisch nachgetragen werden. Aus den Querprofilen entstand mittels der card_1 Bauwerksgenerierung der 3D-Körper des Lichtraums. Zudem ließen sich die klassischen Querprofilpläne mit card_1 automatisiert erzeugen und ausgeben. Sowohl automatisiert mit dem Lichtraumkörper als auch visuell in den Querprofilplänen wurden die Ergebnisse mit dem 3D-Mesh des Bestandstunnels verglichen, um zu prüfen, in welchen Bereichen des Tunnels Anpassungen für den Zugverkehr nötig waren, um eine sichere Durchfahrt zu gewährleisten. Weiterhin wurde das IFC-Modell des Lichtraumprofilkörpers im Koordinationsmodell eingepflegt, um am Ende den Datensatz des Projektmodells zu komplettieren.
Fazit
Die IVES-Lösung der Rhomberg Bahntechnik ist für den Bauherrn wirtschaftlicher und bringt verschiedene technische Vorteile mit sich: Bei einem geringeren Ausbruchsquerschnitt und einer stabileren Gleislage reduzieren sich die Leistungen der RhB, beispielweise beim Einbau von Hilfsbrücken oder bei der Lieferung von Oberbaustoffen. Das Projektvolumen für die Sanierung des Tunnels beträgt zirka 11,5 Mio CHF, Baubeginn war im Herbst 2019, die Fertigstellung soll bis 2021 erfolgen. Die große Variablität des card_1 Programms überzeugte uns bei dieser sicher nicht alltäglichen Trassierungsaufgabe.
Auftragnehmer:
Rhomberg Sersa Rail Holding GmbH
E-Mail an Rhomberg Sersa
www.rhomberg-sersa.com