Mit CardScript zum BIM Gleismodell
Die BIM Methode gewinnt an Bedeutung, ist allerdings eine Herausforderung. Für eine sinnvolle Arbeit mit BIM werden 3D-Modelle mit Attributen gebraucht – und das ohne Informationsverluste. Mit manuellen Verfahren sind Aktualisierungen ein immenser Aufwand, der nicht ohne weiteres zu bewältigen ist. Daher müssen integrierte Lösungen gefunden werden, die Prozesse und Arbeitsschritte automatisieren, um die großen Datenmengen zu beherrschen. Was wäre da naheliegender als CardScript?
In der BIM Methodik ist sehr vieles neu und noch nicht einheitlich definiert: Gerade Spezialfälle sind oftmals nicht abgedeckt und schlecht abbildbar. Eine valide Abbildung ist aber unverzichtbar und bildet die Basis eines BIM Projektes. Ohne sie gibt es nichts, worüber sich die Planer austauschen können. Vor diesen Problemen stand auch die iproplan® Planungsgesellschaft mbH bei einem Projekt für die Leipziger Verkehrsbetriebe. In diesem Projektbericht schildert Nils Wischnat (iproplan® Planungsgesellschaft mbH), wie das Planungsbüro das Projekt mittels CardScript BIM-konform abwickelte und den Vorteil von bewährten Softwarelösungen für sich nutzte.
Eine Betriebswerkstatt in Leipzig
Die Leipziger Verkehrsbetriebe planen für die Wartung und Reinigung ihrer Straßenbahnen eine neue Werkstatt auf dem Betriebshof Heiterblick. Das Gebäude umfasst sieben Gleise mit acht Inspektionsgruben und Dacharbeitsständen. Es gibt Bereiche für die regelmäßige Wartung, Reinigung und Reparatur der Fahrzeuge. Insgesamt erstreckt sich die Grundfläche auf etwa 6.200 m2. In den Außenbereichen sind Gleise und Weichen zur Andienung der Betriebswerkstatt, Stellflächen für Fahrzeuge und ein Drehgestelllager zu finden. Für die Planung war es deshalb wichtig, vorhandene und neue Leitungen zu koordinieren. Bei der Planung des Projektes trafen verschiedene Gewerke aufeinander: Architektur, Gebäudeausrüstung, Straßenbau, Gleisbau, Oberleitungsbau, Sicherungstechnik, Werkstattausrüstung, Signaltechnik und Leitungskoordinierung. Zur besseren Abstimmung dieser Gewerke entschied sich der Bauherr für den Einsatz der BIM Methode bei diesem Projekt.
Die Spezialitäten des Hauses
Dieses Projekt stellte in mehr als einer Hinsicht eine Herausforderung dar. Zum einen verlangt die BIM Methode nach validen Modellen, die eine angemessene 3D-Modellierung und aussagekräftige Attribute enthalten. Zum anderen handelt es sich bei der Werkstatt um ein Gebäude, durch das Züge hindurchfahren, was eine ausgedehnte Schnittstelle zwischen der Architektur und dem Gleisbau mit sich brachte. Modelliert werden sollten Schächte, Haltungen, Schienen, Schwellen, Schienenbefestigungen, Gleisbettungen, Gleiseindeckungen, Sonderbauwerke, Borde, Rinnen und Drainagen. Die Besonderheiten dieses Projektes machten es uns an einigen Stellen unmöglich, auf Standardlösungen zurückzugreifen. Sonderfälle sind bei der 3D-Modellierung ein großes Problem.
Das Planungsteam musste ausgesuchte Schienenlagerungen in den Innenbereichen des Gebäudes, wo Schienen mit ihren Befestigungen direkt auf den Grubenwänden liegen, modellieren. Dazu kamen spezielle Oberbauformen aus der Bestandsmodellierung, zum Beispiel der sogenannte „Stopfdamm“. Für die Attributierung der Modelle gab es seitens des Bauherrn spezielle Anforderungen zu den erforderlichen Attributen und zur Benennung. All diese Problemstellungen mussten gelöst werden, doch ein Problem ist nicht einfach nur eine Hürde, die es zu überwinden gilt, sondern auch eine Chance, vollkommen neue Techniken einzusetzen.
Der Weg zum Modell ist das Ziel
Wie kann solch eine Chance ergriffen werden? Zur Auswahl standen für uns als Ingenieurbüro bei diesem Projekt verschiedene Wege:
- Das Nachmodellieren in externer Software, was die Modellierung vom Entwurf getrennt hätte.
- Der Umstieg auf eine andere Software, welche ebenfalls nur Standardfälle abdeckt.
- Die Entwicklung einer eigenen Lösung mithilfe von CardScript.
Wir entschieden uns für den dritten Weg und setzten auf card_1. Mittels der systemeigenen Programmiersprache CardScript entwickelten wir eine neue Softwarelösung, die bewährte Technologien und bestehende Projektdaten nutzte. Wichtig war uns dabei, dass wir keine Insellösung speziell für dieses Projekt entwickeln, sondern eine skalierbare und wiederverwendbare Lösung.
Die Anfänge der Skripterstellung fokussierten sich auf die Querprofilentwicklung, die Daten aus einer Excel-Tabelle nutzte, um auf mehreren Achsen Bauwerke zu erstellen und automatisiert Attribute anzuhängen. Anfangs waren der Funktionsumfang und der Detailreichtum der Modelle äußerst beschränkt.
Mit fortschreitender Planung im Projekt wurden die Ansprüche an die Detaillierung und die Flexibilität größer. Die erste Version erfüllte diese Anforderungen nicht, weswegen wir sie als objektorientiertes System neu aufsetzten und so die Wartung und die Erweiterbarkeit vereinfachten. Es gelang uns so, die Modelle detaillierter und genauer zu erstellen. Dies verbesserte die Koordinierung, denn wo anfangs nur eine Schiene schwebend durch das Gebäude führte, ermöglichten es die Modelle von konkreten Gleisbefestigungen auch, die Kollisionen mit den Einbauten im Boden ausfindig zu machen.
Das richtige Werkzeug für den richtigen Job
Die Lösung card_1 ist eine hochspezialisierte Software, die einen guten Job macht. Allerdings ist card_1 kein 3D-Modellierungstool. Dafür war eine andere Softwarelösung nötig, die über eine gemeinsame Schnittstelle mit card_1 verfügt. Die Wahl fiel auf die Open-Source-Software Blender, eine 3D-Grafiksuite. Mithilfe von sogenannten „Modifiern“ und Geometry Nodes gelang das Erstellen der 3D-Geometrien und der 2D-Darstellungen des Projektes. Über eine eigens dafür entwickelte Schnittstelle wurden diese Objekte aus einer Bibliothek in card_1 eingelesen und nach den vorgegebenen Parametern in das Gleismodell eingefügt.
Verbesserung der Verwendbarkeit
Für den Anfang reichte eine textbasierte Steuerung aus. Im weiteren Projektverlauf folgte eine grafische Benutzeroberfläche mit entsprechenden CAD-Menüs und Dialogen. Andere Nutzer können die Lösung so leichter anwenden. Um ein direktes visuelles Feedback zu vermitteln, werden alle Objekte in der Lageplanansicht dargestellt, wo sie durch aktive Objekte, die beim Anklicken Funktionen ausführen, selektiert und bearbeitet werden können.
Wir haben Daten – Was nun?
Daten werden nicht zum Selbstzweck gesammelt. Das Stichwort dazu lautet Anwendungsfälle. Eine Nutzung der Daten für das Projekt bestand darin, strukturierte Mengen automatisch auszugeben. Beispielsweise wurden über einen CardScript-Algorithmus Schienenteilungen generiert. Für Schächte wurden Aushubmengen mittels volumetrischer Verschneidung mit anderen Aushubkörpern und der Oberfläche erstellt. Da in der Infrastruktur 2D-Pläne nach wie vor eine große Rolle spielen, generierten wir aus den Gleis- und Schienenteilungsdaten Lagepläne. Ein sehr plakativer Anwendungsfall war das Visualisieren des Projektes mit der Software Blender. Der card_1 Datenaustausch zu Blender erfolgte dabei über die Python-Programmierschnittstelle. Wie in der Animation unter dem QR-Code zu sehen, fügten wir komplexe Materialien, Spiegelungen, animierte Fahrzeuge und Vegetation hinzu. So konnten wir das Gleismodell mit verschiedenen Informationen und Medien ergänzen.
Alles in allem
BIM – das bedeutet 3D, Attribute, Fachsemantik, Datenaustausch, und vor allem Teamwork und Technologie. Im Rahmen des vorgestellten Projektes meisterte das Projektteam viele Herausforderungen. Dafür war eine vollkommen neue Technologie notwendig, die sich der klassischen und verlässlichen Grundlagen des card_1 Systems und seiner Skriptschnittstelle bedient und es dem Nutzer erlaubt, ein mit Attributen angereichertes Modell mit der erforderlichen geometrischen Detaillierung zu erstellen. Diese Technologie lässt sich nach Belieben weiterentwickeln und für zukünftige Projekte nutzen. Es gibt noch etliche Probleme, um die es sich zu kümmern gilt. Oder sollten wir hier lieber von Chancen sprechen?
Auftraggeber:
Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH
Auftragnehmer:
iproplan® Planungsgesellschaft mbH
Beratende Ingenieure und Architekten
Bernhardstraße 68
09126 Chemnitz
E-Mail an iproplan
www.iproplan.de