Heute schon geradelt?
Radschnellwege als neue Verkehrswege? Die Klinger und Partner GmbH aus Stuttgart zeigt Möglichkeiten auf, wie sich nicht mehr benötigte Verkehrsflächen über eine Konversion sinnvoll weiter nutzen lassen. Der Einsatz flächendeckender Radschnellwege ist eine Möglichkeit, wichtige Quell- und Zielbereiche über größere Entfernungen zu verknüpfen. Sicher sollen die Radwege sein, attraktiv und unter hoher Geschwindigkeit befahrbar.
Auf dem card_1 infoTag am 22.06.2017 in Schorndorf bei Stuttgart stellte KuP, die Klinger und Partner GmbH, das Projekt Neubau der B 10 im Filstal vor.
Ausgangssituation
Mit der Fertigstellung der B 10 – neu als Umgehungsstraße – werden die Städte und Gemeinden im Filstal vom Durchgangsverkehr entlastet. Nach der Verkehrsfreigabe der Ortsumfahrung Gingen als letzter planfestgestellter Abschnitt werden auf der Bestandstraße zwischen Eislingen und Süßen noch ca. 5.000 Fahrzeuge pro Tag fahren. Die bisher drei- und vierstreifigen Streckenabschnitte zwischen Eislingen, Salach und Süßen lassen sich somit auf einen einbahnigen Querschnitt mit straßenbegleitenden gemeinsamen Geh- und Radwegen zurückbauen.
Dieser Teilrückbau der ehemaligen B 10 ist bereits in der Entwurfsplanung aus den 1990er Jahren berücksichtigt und Bestandteil des Umwelt- und Ausgleichskonzeptes.
Grüne Politik
In den letzten Jahren veränderten sich die Schwerpunkte der Verkehrspolitik in Baden- Württemberg gravierend. Die grün geführte Landesregierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Weg für eine nachhaltige und moderne Mobilität zu bereiten. Der Anteil des Radverkehrs soll dadurch von heute ca. 8 % auf 20 % im Jahr 2030 gesteigert werden. Die 2012 gegründete Initiative RadKULTUR hat das Ziel, Pendler zu motivieren, das Fahrrad stärker im Alltag zu nutzen, unterstützt durch die zunehmende Verbreitung von Elektrorädern, wie E-Bikes und Pedelecs (Quelle: www.radkultur-bw.de).
Gute Fahrradwege
Eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung dieses Ziels ist die Schaffung eines flächendeckenden, durchgängigen Netzes alltagstauglicher Fahrradverbindungen entlang der wichtigen Siedlungsachsen des Landes. Dieses so genannte RadNETZ hat eine Länge von ca. 7.000 km und berücksichtigt besonders die Bedürfnisse der Alltagsradler (Quelle: radnetz-bw.de).
Projektstart
Im betreffenden Streckenabschnitt entlang der B 10 sind zwar bereits Radverkehrsverbindungen zwischen den Kommunen vorhanden. Sie werden jedoch außerorts meist auf landwirtschaftlichen Wegen abseits der Hauptverkehrsstraßen und innerorts auf Nebenstraßen geführt, häufig ohne gesonderte Radverkehrsanlagen. Dieses so genannte Startnetz erfüllt nicht in allen Punkten die Anforderungen und Qualitätsstandards der einschlägigen Regelwerke, z. B. ERA 2010, die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der FGSV. Im Hinblick auf den geplanten Rückbau der alten B 10 ist im Zielnetz – einem attraktiven und regelkonformen Radwegenetz – bereits die Führung entlang der ehemaligen Bundesstraße enthalten. Somit lag es nahe, die ursprünglichen Planungen auf Grundlage der aktuellen Anforderungen zu überprüfen.
Machbarkeitsstudie
Die Kommunen Eislingen, Salach und Süßen beauftragten 2017 die Klinger und Partner GmbH mit einer Machbarkeitsstudie, um mögliche Potentiale und Konfliktpunkte für eine zügige und verkehrssichere Radtrasse herauszuarbeiten. Die card_1 Anwender sollten überprüfen, ob sich Elemente einer Radschnellverbindung in die Planung integrieren lassen. Dazu zählen beispielsweise höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten und geringe Wartezeiten an Knotenpunkten – weitere Vorteile für den Umstieg auf das Fahrrad.
Kostengünstiger Radweg
Erwartungsgemäß sind die Außerortsabschnitte optimal für die Anlage einer Radschnellverbindung geeignet. Die Querschnittsmaße der entfallenden Fahrstreifen reichen aus, um die 4,0 m breite Radschnellverbindung einschließlich der Trennstreifen zur Restfahrbahn aufzunehmen. Zusätzlicher Grunderwerb ist nicht erforderlich. Wegen des höheren Versiegelungsgrades gegenüber dem Rückbau der nicht mehr benötigten Verkehrsflächen sind die umweltrelevanten Untersuchungen gegebenenfalls zu überarbeiten. Da der Straßenoberbau teilweise mitverwendet wird, ist der Radweg kostengünstig realisierbar. Die gestreckte Trassierung ohne nennenswerte Höhenunterschiede ermöglicht hohe Reisegeschwindigkeiten.
Varianten im Ort
Innerhalb der Ortsdurchfahrten wird die ehemalige B 10 von mehreren Knotenpunkten unterbrochen. Die Variantenuntersuchungen zeigen, dass zwar regelkonforme Lösungen nach ERA möglich sind, an plangleichen Knotenpunkten jedoch höhere Reisezeitverluste auftreten. Um die Anforderungen an eine Radschnellverbindung zu erfüllen, müssen teure und aufwendige planfreie Über- und Unterführungen gebaut werden. Die hierfür erforderlichen langen Rampen machen die Einhaltung der Parameter unter Berücksichtigung der geringen Knotenpunktabstände nahezu unmöglich.
Ergebnis
In der Machbarkeitsstudie haben die Planer der Klinger und Partner GmbH nachgewiesen, dass auf den Außerortsstrecken mit relativ geringem Aufwand ein hoher Standard für Radwege bis hin zu einer Radschnellverbindung angeboten werden kann. Innerorts ist im Einzelfall abzuwägen, ob teure Über- und Unterführungsbauwerke die mögliche Einsparung von Reisezeitverlusten an lichtsignalgeregelten Knotenpunkten rechtfertigen.
Unterschiedliche Folgen
Im konkreten Projekt zeigt sich, dass die Beteiligung mehrerer Kommunen auch unterschiedliche politische Schwerpunkte zur Folge haben kann. Während eine Gemeinde dem Radverkehr eine sehr hohe Priorität einräumt, muss sich in der Nachbargemeinde der Radweg eher den Ansprüchen des MIV, des motorisierten Individualverkehrs, und den kommunalen Erweiterungsabsichten unterordnen. In der Summe spricht dies eher dafür, die Planung von Radschnellverbindungen auf Landkreis-, Regional- oder Landesebene anzusiedeln.
Dazu Johannes Kuhn, Niederlassungsleiter KuP Urbach und Infrastrukturexperte: „Für uns als Planer bietet die RadSTRATEGIE der Landesregierung in jedem Fall neue und spannende Aspekte. Wir freuen uns auf interessante Diskussionen und die ersten realisierten Projekte im ‚Automobilland Baden-Württemberg‘.
card_1 im Einsatz
Kuhn weiter: „Wir arbeiten seit vielen Jahren mit dem Programmpaket card_1. Für unsere Außerortsmaßnahmen setzen wir verstärkt auf die visuelle Überprüfung der Trassierung mit den Modulen Fahrsimulation und Bauwerksgenerator.“
Bei der Planung der Rückbaumaßnahmen und dem Umbau zur Radschnellverbindung standen vor allem die detaillierte Querprofilentwicklung und das DGM im Fokus, um im schwach geneigten Gelände den Fahrbahnbestand exakt nachzubilden, um z. B. die Entwässerung der neuen Verkehrsanlage zu überprüfen.
Planungskultur
Auf dem infoTag erläuterte KuP anhand praxisnaher Projekte weitere Wege einer neuen Planungskultur. Sie stellten die geschichtliche Entwicklung bisheriger Planungsweisen in 2D per Lageplan, Höhenplan und Querschnitt vor bis zu den künftigen Planungsweisen in 3D und deren Vorteile. Gerade in einem Bürgerdialog sollen Projekte mittels neuer innovativer 3D-Darstellungen in Bild und Ton und Video anschaulich und technisch verständlich vermittelt werden. Demnächst könnte KuP dann eine VR-Brille einsetzen, um mit Projektbeteiligten Einblicke in die virtuelle Projektwelt zu werfen – das neue card_1 VR Modul macht es möglich.
Übrigens steht im card_1 Support Center die empfehlenswerte KuP-Präsentation zum Nachlesen bereit.
Auftragnehmer:
Klinger und Partner
Ingenieurbüro für Bauwesen und Umwelttechnik GmbH
Niederlassung Urbach
Neumühleweg 43
73660 Urbach
Tel. +49 7181 99946-0
Fax +49 7181 99946-21
Friolzheimer Straße 3
70499 Stuttgart
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